Hospitztagung in Wittstock am 3./4. Mai 2024

Bericht von der Hospitztagung in Wittstock am 3./4. Mai 2024

3. Mai 2024, Freitagmittag auf dem Vorplatz der Wittstocker Heilig-Geist-Kirche:
Schülerinnen und Schüler des städtischen Gymnasiums singen Lieder, die fröhlich stimmen.
Ihre Chorleiterin ist die Lehrerin Sigrun Stahmleder, die sie mit rhythmischen Akkorden auf der Gitarre begleitet. Passanten bleiben stehen und drehen sich nach den in helles Blau gekleideten Sängerinnen und Sängern um, die auf ihren T-Shirts mit einem Zitat Friedrich Nietzsches „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum“ für den Chor werben. Mehrere Informationsstände machen auf die Möglichkeiten von Hospizarbeit und Palliative Care in der Prignitz und in Ostprignitz-Ruppin aufmerksam. Auch der „Wünschewagen“ vom ASB aus Potsdam ist vor Ort mit zwei Ehrenamtlichen, um die Möglichkeiten zur Erfüllung letzter
Wünsche vorzustellen. Für Kinder gibt es ein Bastel- und Spielangebot. Später wird Schulpfarrerin Ute Eisenack, plattütsch snackend, und mit ihrem Leierkasten für Unterhaltung sorgen. Im geöffneten Catharina-Dänicke-Haus wird zu Kaffee und Kuchen eingeladen und wer eine Zuhörerin oder einen Gesprächspartner sucht, kann sie oder ihn unter mehreren ehrenamtlichen Hospizmitarbeiterinnen – es sind in der Mehrzahl Frauen – finden. Auch ein Büchertisch der Havelländischen Buchhandelsgesellschaft mbH mit Literatur zum Thema Sterben und Tod, aber auch Trauer und Trost wird ehrenamtlich betreut von Regina Tobias, Gabriele Blaschek und Andrea Wolf.

Hospitztagung in Wittstock am 3./4. Mai 2024
Nach der Begrüßung durch Prof. Dieter Nürnberg (Vorstand Ruppiner Hospiz e. V.) und Grußworten des Wittstocker Bürgermeisters Dr. Philipp Wacker und Superintendentin Carola Ritter spricht Prof. Andreas Heller darüber, warum wir angesichts von Suizidassistenz eine sorgende Gesellschaft brauchen. Über viele Jahre war er Professor für Palliative Care und Organisationsethik an der Universität Graz. Über vierzig Doktoranden haben er und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Fakultät für interdisziplinäre Forschung und Fortbildung betreut und gefördert. Sie befassten sich wesentlich mit der Erforschung der Anfänge der „modernen“ Hospizbewegung und des Palliative-Care-Gedankens seit den 1960er Jahren in England und in Amerika. Später, etwa seit den späten 1970er und 80er Jahren, fasste die Hospizidee und ihre Umsetzung auch im deutschsprachigen Raum immer mehr Fuß. Seit 2008 gibt es einen Rechtsanspruch auf Palliativversorgung durch die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland. 2020 hat ein Gerichtsurteil des Bundesverfassungsgerichtes dafür gesorgt, dass „…wir in Deutschland die weltweit liberalste Regelung zur Suizidassistenz haben“. Das wirft viele Fragen auf, die Raum haben möchten. Circa siebzig Zuhörerinnen und Zuhörer haben in der Heilig-Geist-Kirche Platz genommen, um Andreas Hellers Ausführungen zu folgen. Er hinterfragt u. a. das Menschenbild der Richter des Bundesverfassungsgerichtes, die in ihrem Urteil zur Suizidassistenz sehr die Autonomie des Menschen betont haben, dafür zu wenig den Blick auf die Angewiesenheit des Menschen auf seinesgleichen, auf die Gemeinschaft gerichtet hätten. Bei einem Kind, sage ein afrikanisches Sprichwort, brauche es ein ganzes Dorf, um es groß zu ziehen. Was brauche es für Kranke und Sterbende, für ihr Leben und Sterben? Als Menschen brauchen wir es, gebraucht zu werden. Wohin wollen wir als Gesellschaft gehen? In eine solidarische, gemeinschaftliche, einander unterstützende und füreinander sorgende Gesellschaft? Eine hospizliche Orientierung wäre eine wichtige Perspektive für die Zukunft. Andreas Heller wirbt für „Caring Communities“, für sorgende Gemeinschaften, wie sie in anderen Ländern bereits existieren. Es bedarf angesichts des demographischen Wandels und der Krisen unserer Zeit – Corona-Pandemie, Kriege, Flüchtlingsströme, Hungersnöte, Klimakatastrophe – der Mitarbeit an der sorgenden Gesellschaft, in der das Schicksal der anderen nicht gleichgültig lässt.
Hospitztagung in Wittstock am 3./4. Mai 2024
Hospitztagung in Wittstock am 3./4. Mai 2024
Am 4. Mai 2024, dem darauffolgenden Tag gab es nach einer Andacht, die der Krankenhausseelsorger Thomas Hikel hielt, die Möglichkeit, in einem Workshop in zehn Punkten näher zu betrachten, was die Hospizbewegung in den vergangenen vierzig Jahren erreicht hat und welche Elemente zu einer sorgenden Gemeinschaft gehören. (Von denen hier aus Platzgründen nur einige genannt werden können).
Hospitztagung in Wittstock am 3./4. Mai 2024
Die Wärme der Beziehungen einer Person sei entscheidend für glückliches Altern, fasst Andreas Heller die Ergebnisse einer HARVARD-Studie zusammen. Um abschließend ein letztes Mal Cicely Saunders (1918 -2005), die Begründerin des St.-Christophers-Hospice in London zu zitieren: „Gib den Versuchungen nach, sie kommen nicht wieder!“
Ein herzliches Dankeschön an die Helferinnen vor Ort um Karin Thieme, die schon im Vorfeld und über die beiden Tage unermüdlich unterstützten! Ebenfalls Dank an Frau Okraska im Kirchenbüro und an die Hospizdienste aus der Prignitz vom DRK, der DIAKONIE und vom Elbhospiz Wittenberge sowie vom Kyritzer Hospizverein e. V.
Herzlicher Dank geht auch an Detlef Kohlsdorf, Stephan Michelis, Renate Schwarz, Kathrin Beck, und Dana Gorlt, Superintendentin Ritter, Ilona Seibicke, Prof. Dieter Nürnberg, Katja Wendt und alle, die mitgewirkt haben!